Risse und Stiche in Natursteinen

Ein Dauerbrenner bei Natursteinen sind Risse und Stiche, denn sie können zu Streitigkeiten zwischen Lieferanten, Steinmetzen und Endkunden führen. Die Ursachen für Risse und Stiche sind nicht immer leicht zu erkennen und werden des Öfteren fehlinterpretiert. Die folgende Zusammenstellung beleuchtet dieses Thema genauer, ohne einen Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben.

Stich oder Riss?

Grundsätzlich gilt: Ein Riss im Naturstein entsteht durch Kräfte. Keine Krafteinwirkung, kein Riss. Die Art und Herkunft der auftretenden Kräfte sind jedoch vielfältig.

Eine genaue Definition, was ein "Stich" oder ein "Riss" ist, gibt es nicht. Die Meinungen aus Fachkreisen sind, dass der Begriff "Stich" vom Aussehen einer Messerwunde abgeleitet wurde. Stiche sind also eher klein und für manche Materialien auf natürliche Weise typisch. Das bedeutet daher nicht unbedingt, dass das Werkstück unbrauchbar ist. Bei einem Riss dagegen ist die Gebrauchstauglichkeit fast immer nicht mehr gegeben.

Bei bestimmten Materialgruppen ist nach DIN EN 12058-2004 sogar eine fachgerechte Klebung zugelassen: "Die Oberflächenbeschaffenheit einiger Gesteinstypen schließt üblicherweise den Gebrauch von Spachtelungen, Füllstoffen oder sonstigen ähnlichen Produkten für natürliche Löcher, Fehlstellen oder Risse ein; dieses ist als Teil der üblichen Verarbeitung anzusehen..." Für welche Gesteine dies gilt, wird in der Norm nicht näher erläutert.

Was ist ein materialspezifischer Stich?

Was materialtypisch ist, zeigt ein Zitat aus der DIN EN 12057-2004:

"Alle an der Bezugsprobe aufgezeigten Merkmale müssen als für das Gestein typisch sein und dürfen nicht als ein Mangel angesehen werden, sodass diese keinen Grund für die Zurückweisung darstellen dürfen, außer wenn diese Merkmale übermäßig stark auftreten und der typische Charakter des Gesteins verloren gegangen ist..."

Die daraus folgende Interpretation ist ein schwieriges Unterfangen. Unserer Meinung nach ist die Norm so zu verstehen, dass bei Materialien, wie Multicolor, Paradiso, Aurindi, Shivakashi, Daino, Trani usw. generell kleine Stiche bei jedem Block zu erwarten sind. Hier sind Stiche also materialtypisch.

Andere Gesteine, wie Bohus Rot, Impala, Assoluto Zimbabwe zeigen nur selten Stiche. Bei diesen Gesteinen wären Stiche eine unerwartete Eigenschaft und somit nicht materialtypisch. Auch die öfter reklamierten Kristallrisse in grobkörnigen Materialien, wie sie z.B. bei Baltic Braun und Rot, Azul Cristal auftreten, sind kein Mangel. Der Riss geht nicht durch den Stein durch und stellt keine Bruchgefahr dar.

Wie entstehen materialtypische Risse und Stiche bei der Erkaltung von Granit?

In früheren Zeiten ist man davon ausgegangen, dass die in Graniten auftretenden Klüfte und Spalten durch Schrumpfungsprozesse beim Erstarren des Magmas entstanden sind, aus dem diese Gesteine gebildet wurden. Dies trifft aber nicht zu. Die Tatsache, dass diese Strukturen einen engen Bezug zur Morphologie des Gebietes zeigen, in dem der Granit auftritt, zeigt an, dass es sich um Klüfte handelt.

Diese Klüfte sind durch Druckentlastung entstanden, nachdem die den Granit überlagernden Gesteine durch Erosion abgetragen worden waren. So folgen die Lagerklüfte (= in etwa horizontal verlaufende Klüfte) dem Verlauf der Geländeoberfläche über dem jeweiligen Granitvorkommen. Ihr Abstand zueinander vergrößert sich mit zunehmendem Abstand von der Geländeoberfläche. Die Blockgröße von Graniten wird durch diese Zusammenhänge begrenzt. Risse in Granitrohtafeln oder Bodenplatten werden i. d. R. herausgeschnitten bzw. ausgetauscht.

Wie entstehen materialtypische Risse und Stiche bei der Erkaltung von Gneisen?

Gneise und andere metamorphe Gesteine (hier regionalmetamorphe, keine kontaktmetamorphen Gesteine) unterlagen im Rahmen ihrer Entstehung extremer Druck- und Temperaturbeanspruchung, die im Allgemeinen mit großregionalen Gebirgsbildungsereignissen in Zusammenhang standen. Durch gerichteten Druck kam es in solchen Gesteinen zu einer Einregelung der Minerale, die die typische Gneistextur (metamorphe Paralleltextur) verursachte.

Bei den gleichzeitig im Gestein erzeugten Spannungen bleibt es nicht aus, dass sich im Gestein Entlastungsklüfte und Risse bildeten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass zunächst bei höheren Temperaturen und Drucken, wie sie in größerer Erdtiefe herrschen, eine plastische Gesteinsdeformation möglich ist. Werden solche Gesteine durch tektonische Kräfte aber dann in höhere Niveaus der Erdkruste transportiert, kann es bei anhaltender Druckbeanspruchung zur Riss- und Kluftbildung kommen. Auch Risse als Folge von Druckentlastung können hier entstehen.

Können sich materialtypische Eigenschaften des Gesteins auch ändern?

Eindeutig ja. Dazu ein Beispiel: Star Galaxy, ein Bronzitgabbro, war bisher ein selten stichiger Stein. Da die Hauptabbauzonen mittlerweile leer sind, geht man in die Seitenbereiche hinein. Neben der unterschiedlichen Optik des Materials ist man hier in alten Spannungszonen, wo vermehrt Stiche auftreten, die aus der Erkaltung und aus Gebirgsbildungsprozessen resultieren. Das bedeutet, dass man die früher gewohnte Stichfreiheit nicht mehr erwarten darf.

Welche natürlichen Ursachen für Risse und Stiche gibt es außerdem?

Erdbeben können Risse in Gesteinen hervorrufen. Natürliche Trennlagen, wie sie in Kalksteinen anzutreffen sind, werden oft fehlinterpretiert. Hierbei werden "weichere" Anteile oberflächlich durch die Nutzung entfernt, was der Laie als Riss deutet. Eine Platte mit einem durchgehenden Riss fällt mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit bereits auseinander, wenn man sie von der Brückenfräse herunternehmen möchte.

Nero Marquina enthält oft feine Kohleadern, die natürliche Schwachstellen bilden. Die Rohtafel hält zwar, aber der geschnittene Teil nicht immer. Dies ist materialtypisch und unvermeidbar. Auch inhomogene Materialzusammensetzung kann beispielsweise bei Marmoren zu kleinen Stichen führen. Das sind nur einige der natürlichen Möglichkeiten. Alle aufzuführen würde ganze Bücher füllen.

Welche Bearbeitungseinflüsse können Risse und Stiche verursachen?

Angefangen beim Abbau können durch unsachgemäße Sprengungen durchaus Blöcke angerissen werden. In Europa wird für den Blockabbau vorzugsweise Schwarzpulver mit geringer Energiedichte und Sprenggeschwindigkeit verwendet - wenn überhaupt noch gesprengt wird. Im Ausland, besonders in Entwicklungsländern, werden teilweise recht abenteuerliche Sprengmischungen verwendet, die zu starken strukturellen Schäden führen können. Hierbei rollen Stoßwellenfronten durch die Blöcke, die im Inneren, von außen nicht sichtbare Schäden produzieren können. Bohrlöcher können ebenfalls der Startpunkt von Rissen sein, wenn der ausgeübte Druck zu hoch oder das Bohrwerkzeug zu abgenutzt ist.

Welche Risiken bestehen bei Rohtafeln und Bodenplatten?

Bei Rohtafeln oder Fertigprodukten sind als "gefährlichste" Arbeiten das Flammen oder das Stocken zu nennen. Beim Flammen werden die obersten Kristallschichten ultrahoch erhitzt. Durch die Hitze dehnen sich vorzugsweise die Quarze schlagartig aus und platzen regelrecht auseinander. Hat man z. B. einen stabförmigen Kristall, dann platzt er nicht nur "oben", sondern auch "unten", wodurch das Gefüge komplett durchgerissen werden kann. Dieser Umstand ist von der Kristallgröße und natürlich von der Dicke der Tafel abhängig. Bei Stärken von mehr als 3 cm ist die Rissgefahr relativ gering. Aber je dünner die Platte wird, desto höher kann der Ausschuss sein.

Kann man die natürlich entstandenen Fehlstellen wieder schließen?

Ja, die Natur macht das permanent. Nero Marquina ist auch hier wieder ein schönes Beispiel. Die hellen Calcitadern sind durch zirkulierende Lösungen entstanden, die ihre aus Calciumkarbonat bestehende Lösungsfracht aus dem durchflossenen Gestein erhielten. Die so entstandene Lösung durchströmte den brüchigen Stein. Durch eine Änderung des chemischen Umfeldes kam es zur Fällung des Lösungsinhaltes. Das dabei neu gebildete Mineral Calcit hinterließ die dekorativen Aderungen.

Sogenannten "Natürliche Heilungen" gibt es auch beim Jura. Die fälschlicherweise als Glasadern bezeichneten und von Laien als Riss identifizierten Calcitadern sind analog entstanden. Es gibt auch im Bereich der Gneise Risse, die im Verlauf der Erdgeschichte durch natürliche Vorgänge "geheilt" wurden.

Verbreitet sind hier Quarzadern oder mit Chlorit oder Muskovit (Hellglimmer) verheilte kleine Gänge. Oft tritt auch ein Ensemble aus mehreren Mineralen als Rissfüllung in Erscheinung, das dann Rückschlüsse zulässt, unter welchen Druck- und Temperaturbedingungen die Rissbildung erfolgte. Relativ unbekannt ist in Deutschland das Gestein Labrador mit weißen Quarzadern, bei dem kieselsäurereiche Lösungen ursächlich sind.

Werden Blöcke auch geklebt?

Einen Riss zu kleben, der durch den ganzen Block geht, ist kaum sinnvoll, da er später dem Druck beim Gattern und Bearbeiten der Rohtafel nicht standhält. Bei homogenen Gesteinen wie Impala, Bianco Sardo oder auch Baltic Braun würden solche Klebungen zusätzlich sofort optisch auffallen. Es funktioniert weniger gut, als die asiatische Methode, aus Kalksteinbrocken und gefärbtem Harz eine neue Steinsorte zu kreieren.

Wie ist das bei der Resinierung?

Anders sieht es bei den kleinen oberflächlichen Stichen aus. In Deutschland sind Oberflächen beliebt, die dicht wie eine Glasplatte und makellos wie Mahagoni mit mehreren Schichten Chinalack sind. Deshalb wurde die Resiniertechnik eingeführt, die oberflächliche Poren verfüllt und nebenbei die kleinen Stiche unsichtbar macht. In der DIN 18332 kann man u.a. folgendes finden: "Schließen von Gesteinsporen ist zulässig."